Haftung der Organmitglieder in der Aktiengesellschaft (Oy) in Finnland
Juni 2017

Haftung der Organmitglieder in der Aktiengesellschaft (Oy) in Finnland

Die Leitungsorgane der finnischen Oy, vor allem die Mitglieder des Vorstands und der Geschäftsführer, haften der Gesellschaft für die sorgfältige Geschäftsführung. Verwirklicht sich die Organhaftung, geht es für die Handelnden schnell um die wirtschaftliche Existenz. Dieser Artikel gibt einen Überblick.

Sorgfalt und Gesetzmäßigkeit

Nach § 1:8 des finnischen Aktiengesetzes hat die Leitung der Gesellschaft das Interesse der Gesellschaft mit Sorgfalt zu fördern. Wird die gebotene Sorgfalt bei der Leitung der Gesellschaft außer Acht gelassen, haben die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats sowie der Geschäftsführer der Gesellschaft den entstehenden Schaden zu ersetzen.

Neben die Haftung für die ordnungsgemäße Sorgfalt tritt die Haftung für die Legalität: Die Organmitglieder haften für die Folgen dessen, dass sie vorsätzlich oder fahrlässig die Reglungen des Aktiengesetzes oder der Gesellschaftssatzung verletzt haben.

Wesentliches Merkmal der Haftung ist das Verschulden. Liegt ein Verstoß gegen das Aktiengesetz (mit Ausnahme der allgemeinen Sorgfaltsverpflichtung) oder die Gesellschaftssatzung vor, wird das Verschulden vermutet, muss also das Organmitglied zur Entlastung im Zweifel nachweisen, sorgfältig gehandelt zu haben.

Keine „Business Judgement Rule“

Nach dem Konzept des finnischen Rechts wird die Haftung der Organmitglieder allein an einem objektivierten Sorgfaltsmaßstab gemessen. Für die Beurteilung ist die Situation und der Kenntnisstand zum Zeitpunkt des jeweiligen Organhandelns maßgeblich. Spätere Erkenntnisse darüber, dass eine als richtig erscheinende Führungsentscheidung tatsächlich negative Folgen hatte, bleiben außer Betracht.

Es gibt in Finnland aber keine Privilegierung des unternehmerischen Entscheidungsspielraumes in der Weise, wie dies in Common-Law-Ländern oder auch im deutschen Gesellschaftsrecht unter der sog. „Business Judgement Rule“ der Fall ist. Ein Vorstandsmitglied kann sich also zur Abwehr der Haftung nicht allein darauf berufen, seine Managemententscheidung im guten Glauben, ohne Einfluss sachfremder Interessen, sowie auf Grundlage angemessener Informationen getroffen zu haben. Allerdings sind letztgenannte Faktoren durchaus als Mindestanforderungen für eine sorgfaltsgemäße Managemententscheidung anzusehen.

Geltendmachung und Verzicht

Die Ansprüche gegen die haftenden Organmitglieder macht im Ausgangspunkt der Verstand der Gesellschaft geltend. Hierzu ist daneben auch die Gesellschafterversammlung befugt. Auch eine Minderheit von mindestens 10 % der Aktionäre kann die Klage erheben, wenn sich die Gesellschaft selbst desinteressiert zeigt.

Ein allgemeiner Verzicht auf die Ersatzhaftung der Gesellschaftsorgane ist im Voraus nur in der Gesellschaftssatzung möglich, und auch hier nur mit starken Einschränkungen. Auf eine bereits entstandene Ersatzpflicht kann (nur) die Gesellschafterversammlung im Wege der Entlastung verzichten.

Die Entlastung durch die Gesellschafter hindert aber nicht die Inanspruchnahme des haftenden Organs durch den Insolvenzverwalter, wenn der zur Insolvenzeröffnung führende Antrag innerhalb von zwei Jahren nach der Entlastung gestellt wird.

Umfang der Haftung

Die Haftung der Vorstandsmitglieder und anderer Organe ist im Grundsatz unbeschränkt und umfasst alle durch das pflichtwidrige Verhalten verursachten Schäden.

Das Gesetz sieht die Möglichkeit vor, dass das Gericht den Haftenden von einer unverhältnismäßig belastenden Haftung durch Herabsetzung der Haftungssumme entlastet. Die finnischen Gerichte haben zu solchen Entlastungen bisher wenig Neigung gezeigt, soweit es um konkrete Verstöße gegen Vorschriften des Aktiengesetzes geht, insbesondere auch bei der Verteilung von Gesellschaftsmitteln.

Dagegen hat das Oberste Gericht in den großen Haftungsfällen gegen Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer finnischer Banken im Nachgang zur großen Wirtschaftskrise der frühen 90er Jahre ganz erhebliche Abstriche vorgenommen. Hier ging es um Verstöße gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht (hier bei der Vorbereitung von Kreditbewilligungen).

Versicherung

Auch in Finnland werden für die Verantwortlichen in der Gesellschaft inzwischen Haftpflichtversicherungen angeboten (D&O-Versicherungen).

Der Strauß der unter dieser Bezeichnung vorkommenden Versicherungsbedingungen ist bunt. Einige dieser Versicherungen sind reine Rechtsschutzversicherungen und beschränken sich auf die Verteidigungskosten. Andere schließen arbeitsrechtliche Pflichtverletzungen, wieder andere die Haftung für grobe Fahrlässigkeit oder für strafrechtliche (auch fährlässige) Verstöße aus.

Risikomanagement und Compliance

Auch ein gutes Versicherungskonzept entlastet den Vorstand und die Geschäftsführer der Gesellschaft letztlich nicht von der Sorge um die Haftung. Hierfür sorgen schon Eigenanteil und Begrenztheit der Versicherungssumme, aber auch die persönlichen Auswirkungen eines Haftungsprozesses.

Das beste Mittel der Risikobegrenzung ist es, die Geschäfte mit Sorgfalt zu führen. Dazu gehören folgerichtige Aufgabenzuordnungen an geeignete Personen, angemessene Aufsicht und Reporting, und die fortlaufende Inanspruchnahme zuverlässiger Compliance-Beratung.